Aufgabenmanagement mit Taskwarrior und Timewarrior

Viele Jahre habe ich meine Aufgaben mit Emacs und Org-Mode gemanagt. Kürzlich bin ich auf Taskwarrior umgestiegen. In diesem Artikel erkläre ich warum.
Wolken

Zusammenfassung

  • Emacs mit Org-Agenda ist ein interaktives Notizbuch für die Aufgabenverwaltung.
  • Die Integration in Org-Mode ist die große Stärke dieser Lösung.
  • Taskwarrior ist wie eine Gouverante, die dich zur Arbeit antreibt.
  • Meine Motivation wiederkehrende Aufgaben sofort zu erledigen, ist bei Taskwarrior größer als bei Org-Agenda.
  • Taskwarrior und Timewarrior sind auf der Kommandozeile schnell und meistens sehr intuitiv zu benutzen.
  • Ein Urteil über die Zeiterfassung mit Timewarrior habe ich noch nicht gefällt.

Org-Agenda für Emacs ist eine großartige Aufgabenverwaltung. Das Netz ist voll mit Anleitungen, wie man die Kombination fürs Selbstmanagement nutzen kann. Ich selbst nutzte Org-Agenda als Freiberufler viele Jahre, um meine Aufgaben im Blick zu halten und Arbeitszeiten abzurechnen. Org-Mode und Org-Agenda greifen ideal ineinander, man hat eine Aufgabenverwaltung mit Zeiterfassung, die gleichzeitig auch als Notizbuch funktioniert. Man kann einen Gedanken schnell niederschreiben, ohne sich Gedanken darüber zu machen, ob daraus eine Aufgabe entsteht oder eine Idee für einen Text.

Bevor ich Org-Agenda nutzte, habe ich vor vielen Jahren einmal Taskwarrior ausprobiert. Kürzlich stieß ich wieder auf die Software, probierte sie erneut aus und habe mein Aufgabenmanagement nun auf Taskwarrior und Timewarrior umgestellt. Der Grund für diesen Wechsel ist die Strenge, mit der Taskwarrior darüber wacht, dass ich meine Aufgaben abarbeite. Org-Agenda ist ein interaktives Notizbuch, Taskwarrior ist eine Gouverante, die hinter einem steht und einen zur Arbeit antreibt. Für mein aktuelles Arbeitsaufkommen ist mir eine Gouverante lieber.

Um das genauer zu erklären, muss ich ein wenig ausholen. Emacs ist ein erweiterbarer Texteditor, mit dem man so gut wie alles erledigen kann. Zusammen mit Org-Mode und – in meinem Falle – mit Org-Roam wird daraus ein Zettelkasten fürs Wissensmanagement. Das Netz ist voll mit Anleitungen, sodass ich mir hier eine Beschreibung ersparen kann. Jedenfalls sind diese Tools für mich beim Schreiben unentbehrlich geworden.

Im letzten Jahr habe ich sehr viel gelesen und gleichzeitig damit angefangen, das Gelesene zu verzetteln, also in Org-Roam zu verarbeiten. Das ist sehr zeitaufwändig, sodass sich ein langer Rückstau von Büchern gebildet hat, die ich bereits gelesen, aber noch nicht verzettelt habe. Nun dachte ich mir, dass es sinnvoll wäre, jeden Tag ein anderes Buch hervorzuholen und die Exzerpte und Notizen zu verzetteln. Daraus ergibt sich ein rollierendes System mit wiederkehrenden Aufgaben: jeden Tag ein anderes Buch. Solche wiederkehrenden Aufgaben lassen sich in Org-Agenda problemlos eintragen. Sie erscheinen dann am entsprechenden Tag auf der ToDo-Liste.

Nun geschah Folgendes. Ich erledigte eine solche Aufgabe nicht immer an dem betreffenden Tag, was Org-Agenda sich merkt. Am nächsten Tag zeigt das Programm an, dass die Aufgabe schon 1x auf der Liste stand. Am Tag danach wird daraus ein 2x, dann ein 3x und so weiter. Irgendwann stand auf meiner Agenda so etwas wie:

Sched.18x: TODO Ästhetische Theorie Exzerpte

Das ist frustierend. Um den Zählerstand zu korrigieren, muss man in Org-Agenda die Aufgabe mehrmals erledigen. Erst dann verschwindet die Aufgabe endgültig von der Liste, bis sie wieder auf dem Programm steht. Wenn ich eine Aufgabe dreimal nicht erledigt hatte, musste ich dreimal die Tastenkombination für DONE durchgehen, bis die Aufgabe endgültig verschwand.

Die Frustration über meine mangelnde Disziplin führte mich zu Taskwarrior. Taskwarrior ist ein Kommandozeilen-Tool, das darauf ausgelegt ist, möglichst wenig Arbeit zu machen. Die Kommandozeilenbefehle sind schlank und recht intuitiv, und die Priorisierung der Aufgaben erledigt Taskwarrior selbst. Das hört sich jetzt nach Magie oder Künstlicher Intelligenz an, ist aber sehr viel einfacher. Tasks mit Due-Date sind wichtiger als Tasks ohne Deadline. Eine Task, die Tasks blockiert, die von ihr abhängig sind, sind wichtiger als Tasks, die keine anderen Tasks blockieren.

Ruft man das Programm auf, zeigt es die Aufgaben in der Reihenfolge ihrer Wichtigkeit an. Das Wichtigste steht ganz oben. Was unwichtig ist, wird am Ende des Terminals sogar abgeschnitten. Dadurch entsteht ohne Zutun des Nutzers eine Liste, die tatsächlich in aller Regel richtig sortiert ist.

Das Programm hat vor allem, und das war für mich wichtig, eine andere Vorstellung von wiederkehrenden Aufgaben. Taskwarrior erzeugt jedesmal eine neue Aufgabe auf Basis einer Template-Aufgabe, die man einmal bestimmt hat. Die wiederkehrenden Aufgaben werden ein paar Tage vor ihrer Deadline erzeugt und wandern auf der Prioritätenliste Tag für Tag nach oben. Wenn ich nun verpasse, wiederkehrende Aufgabe zu erledigen, sammeln sich mehrere davon auf der Liste an, die dadurch immer länger wird.

Das ist für mich das Gouverantenhafte des Programms, denn dieses Längerwerden der Liste motiviert mich, eine wiederkehrende Aufgabe auch tatsächlich zu erledigen. Wenn ich also Exzerpte der Ästhetischen Theorie anlegen soll, dann schreibe ich, auch wenn ich keine Lust oder Zeit habe, mindestens ein Zitat heraus und markiere die Aufgabe als erledigt. Dadurch stellt sich der Erfolg der kleinen Schritte ein. Ich kann jeden Tag Aufgaben als erledigt markieren, was der Selbstachtung schmeichelt und die Motivation hochhält, und komme irgendwann zum Ziel.

Taskwarrior kann auch Zeiten erfassen, für diese Aufgabe ist aber eigentlich das Schwesterprogramm Timewarrior gedacht. Nachdem es mir gelungen ist, beide Programme richtig zu konfigurieren, kann ich aus Taskwarrior heraus für Aufgaben die benötigte Arbeitszeit erfassen. Ob mir Timewarrior die Abrechung von Arbeitszeiten wirklich erleichtert, kann ich noch nicht sagen. Die Reporterstellung ist nicht so trivial wie die Zeiterfassung als solche.

Wer bespielsweise häufig vergisst, die Zeiterfassung beim Beginn einer Tätigkeit einzuschalten – mit einem einfachen task 12 start für Task Nr. 12 – oder am Ende wieder auszuschalten (task 12 stop), wer also erfasste Zeiten häufig korrigieren muss, fährt mit Org-Agenda sicher besser als mit Taskwarrior und Timewarrior; in Org-Mode ändert man einfach den Eintrag in der entsprechenden Org-Mode-Datei, in Timewarrior muss man einen etwas komplexeren Befehl auf der Kommandozeile eingeben, um den Datenbankeintrag zu ändern.

Wenn man nun ein generelles Fazit ziehen möchte, so zeigt sich, dass die Wirkung eines Programms auf die Arbeitsproduktivität gar nicht so einfach zu bestimmen ist. Org-Agenda und Taskwarrior arbeiten zwar sehr unterschiedlich; aber beide berücksichtigen auf dem Papier alle wichtigen Aspekte des Aufgabenmanagements und sie unterstützen unterschiedliche Methoden. Ihre Wirkung im Arbeitsalltag sollte also nahezu gleich sein. Auf mich wirken sie sich aber unterschiedlich aus. Details der Implementierung sind wohl wichtiger als man denkt.

Auf der anderen Seite kann ich jedoch nicht ausschließen, dass allein der Wechsel des Werkzeugs positive Auswirkungen auf meine Produktivität hatte. Das würde bedeuten, dass zumindest ich ein Kandidat fürs Tool-Hopping bin.

Wenn man nun bedenkt, dass Unternehmen sich überhaupt nicht darum scheren, welche Tools ihre Mitarbeiter je persönlich optimal unterstützen, dann ahnt man, wie frustierend es sein muss, Tools zu benutzen, die andere Leute ausgewählt haben. Und ich will gar nicht darüber spekulieren, wie viel Produktivität und Kreativität hier erstickt werden.

Wie eine Digitalisierung aussehen könnte, die einerseits einem Unternehmen oder einer Organisation die nötige Einheitlichkeit und andererseits den einzelnen Mitarbeitern große Freiheiten bei der Wahl der Tools einräumt, ist eine interessante Frage. Meine These wäre, dass dies ausschließlich mit freier Software und offenen, standardisierten Schnittstellen und Protokollen zu leisten wäre.