Von der Website zum E-Book

Wie aus Texten auf einer Website nach 12 Jahren eine E-Book-Reihe wurde.

12 Jahrgänge als E-Book

1998 fing ich mit dem Sudelbuch an. Zunächst unter einem Tilde-Account bei einem Webspace-Anbieter, dann auf der eigenen Domain sudelbuch.de veröffentlichte ich täglich satirische Texte und Fortsetzungsgeschichten im Internet. ›Täglich tagesfrische Sudeleien‹ lautete es im Seitenkopf, der ziemlich verunstaltet in der Waybackmachine noch begutachtet werden kann. Das Besondere an diesem Online-Tagebuch, wie Blogs damals noch genannt wurden, war der Versand der Texte per E-Mail. Dies schuf eine sehr persönliche Leserbindung. Zunächst strickte ich die Webseiten mit der Hand, dann benutzte ich ein Perl-Tool mit dem Namen WML Website Meta Language und schließlich das CMS Plone. Der Content, meine Texte, musste immer wieder umziehen.

Titelbild des ersten gedruckten Sudelbuchs
Titelbild des ersten gedruckten Sudelbuchs

2002 kam ich auf die Idee, die ersten drei Jahrgänge als Buch zu veröffentlichen. Dazu mussten die Texte erneut und zwar weitestgehend mit der Hand umformatiert werden. Aus HTML-Dateien wurden LaTeX-Dateien. Da ich die Texte für die Buchproduktion ohnehin noch einmal durchgehen musste, erledigte ich diese Arbeit beim Redigieren gleich mit. So entstanden zwei Bücher »juh’s Sudelbuh 98/99/00« und »Schimpansen sind Menschen. juh’s Sudelbuch 01/02/03«. Als Editor kam Emacs mit AUCTeX zum Einsatz. Ein Buch für die Jahrgänge danach ist nie erschienen, weil ich immer weniger sudelte und ein wenig die Lust an dem Projekt verlor.

Als Amazon den deutschen Kindle-Shop und die Selbstvermarktungsplattform »Kindle Direct Publishing« eröffnete, begann ich eine E-Book-Ausgabe aller Sudelbuch-Jahrgänge vorzubereiten. Ausgangspunkt waren die LaTeX-Dateien auf der einen Seite und die Online-Texte der Jahrgängen ab 2004 im CMS, die nun alle zusammengefasst werden mussten.

Zunächst wollte ich das E-Book mit Sphinx erstellen, einer Software, die für die Dokumentation von Software entwickelt worden ist, sich aber auch hervorragend als Publikationsumgebung für wissenschaftliche Texte eignet. Das Problem an dieser Lösung war jedoch, dass ich die LaTeX-Texte erneut hätte konvertieren müssen. Sphinx benutzt Restructured Text als Markup-Sprache. Die Konvertierung hätte über ein Python-Skript erfolgen können. Mein Sohn hatte auch bereits angefangen, ein solches Skript zu erstellen, als mir auffiel, dass Sphinx noch kein völlig sauberes epub-Format ausgeben konnte.

Die einfachste Lösung bot schließlich die Autorensoftware Scrivener. In dieser Software hatte ich ohnehin schon einige Sudeleien erstellt, bevor ich sie auf der Website veröffentlichte, sodass ein Teil der Texte bereits im System war. Ich habe dann auch keine LaTeX-Texte eingelesen und mit der Hand konvertiert, sondern nahm stattdessen die PDF-Texte, in denen ich anschließend nur noch die Trennungen sowie alle überflüssigen Textstellen entfernen musste. Die Texte von der Website habe ich dann buchstäblich per Copy&Paste aus dem Webbrowser in Scrivener übernommen.

Alle Sudeleien aus dem Sudelbuch in Scrivener
Alle Sudeleien aus dem Sudelbuch in Scrivener
v Nun waren alle Texte nach Jahren, Monaten und Tagen geordnet in der Software und mussten nur noch in das E-Book-Format exportiert werden. Scrivener hat eine großartige Export-Schnittstelle. Man kann gezielt Teile aus dem Textkonvolut exportieren, ein passendes Titelbild vergeben und die entsprechenden Metadaten eingeben. Ich habe mit OmniGraffle Titelbilder für jeden Jahrgang entworfen, die ebenfalls in dem Projekt gespeichert werden. Anschließend musste ich nur noch die Jahrgangsordner nach und nach als E-Book exportieren. Das Ergebnis waren epub-Dateien, die ich direkt auf die KDP-Plattform von Amazon hochladen konnte. Der Server konvertiert die Dateien dann von selbst ins eigene proprietäre Format von Amazon. Für die Darstellung im Shop musste dann bloß noch das passende Titelbild separat hochgeladen werden.

Exportfunktion von Scrivener
Exportfunktion von Scrivener

Obwohl es sich von Anfang an um standardisierte und offene Textformate gehandelt hat, musste ich meine Texte seit 1998 mehrmals und meistens mit der Hand konvertieren. Da es sich zumeist um reine Textformate handelte (HTML, LaTeX, RTF), war Handarbeit jederzeit möglich. Der Export der Texte aus dem CMS Plone heraus ist zwar grundsätzlich automatisiert möglich. Mit einem Browser und Copy&Paste ging es jedoch in meinem Falle schneller. Ein wirklich universales Textformat, das als Ausgangspunkt für beliebige Exportformate dienen kann, sehe ich in der Praxis noch nicht. Sphinx bietet mit Restructured Text einen Ansatz. Es generiert HTML-Seiten, PDFs (mit PDFLaTeX) und mittlerweile auch saubere E-Books. Mein nächstes E-Book, eine wissenschaftliche Abhandlung über den polnischen Filmemacher Krzysztof Kieślowski, werde ich mit Sphinx erstellen. Scrivener ist jedoch für einen Autor ohne Vorliebe für Texteditoren und Markup-Sprachen die bessere Lösung. Das Programm ist leider nicht Open-Source. Der Preis von rund 35 EUR ist angesichts der Leistungsfähigkeit mehr als gerechtfertigt. Scrivener hat viele nützliche Funktionen, die den Alltag eines Schriftstellers erleichtern. Die Buchprojekte können in zahlreiche Formate inkl. LaTeX exportiert werden. Intern speichert Scrivener Texte im RTF-Format.

Seit nunmehr 13 Jahren schreibe ich an meinem Sudelbuch, dessen Name natürlich von dem großen Georg Christoph Lichtenberg inspiriert wurde. Der Stil hat sich in dieser Zeit sicher verändert. Fortsetzungsgeschichten veröffentliche ich dort schon lange nicht mehr. Satiren und Essays wechseln einander ab. In Facebook und auf Google+ habe ich Seiten eingerichtet, um den Verkauf der Bücher zum Beispiel durch Leseproben anzukurbeln. Bei der Auswahl der Leseprobe merke ich, dass die weitaus meisten Sudeleien trotz ihres tagespolitischen Bezugs nichts von ihrer Aktualität eingebüßt haben. Leider.