Emacs – die Software für Autoren

Den Texteditor Emacs habe ich verschiedentlich schon erwähnt. In diesem Artikel erkläre ich, warum Emacs alles mitbringt, was sich Autoren und Schriftsteller nur wünschen können.
Metis, die Göttin der Weisheit, springt ins Treppenhaus der Universität Rostock

Zusammenfassung

  • Die Arbeitsumgebung Emacs bringt alles mit, was ein Autor benötigt.
  • Zettelkasten für die Recherche
  • Outliner für die Gliederung
  • Integrierte Projektplanung
  • Tools für Bibliografie und Index
  • Wissenschaftliches Notebook
  • Ausgabe als Print-PDF, E-Book und andere Formate

Ein Werkzeug für die Lebensaufgabe

Schreiben ist eine Lebensaufgabe. Das gilt für wissenschaftliche Autoren ebenso wie für Dichter, Romanciers oder Essayisten. Als es noch keine Computer gab, haben die Menschen ihre Gedanken auf Papier festgehalten. Auf Papier gebannt haben Notizen, Materialsammlungen und Ideen Schriftsteller und Wissenschaftler Jahrzehnte lang begleitet. Manchmal besaß dieses Konvolut eine Struktur, wie im Falle eines Zettelkastens, manchmal schufen zeitlich oder thematisch gekennzeichnete Notiz- und Tagebücher eine Ordnung.

Wer sein Leben dem Schreiben widmen will oder aufgrund seiner wissenschaftlichen Tätigkeit regelmäßig publiziert, der sollte einen langlebigen Werkzeugkasten benutzen. In der digitalen Welt scheint dies ein Ding der Unmöglichkeit zu sein. Die meisten Programme kommen und gehen im Wechsel der Moden. Doch einige bleiben.

Der Autor dieser Zeilen schreibt seit 1990 auf dem Computer und seit Mitte der 90er Jahre benutzt er dabei zwei Programme: den Texteditor Emacs und das Satzprogramm TeX. Seit mehr als einem Viertel Jahrhundert sind diese beiden Programme verlässliche Konstanten im Leben des Autors.

Bereits in meiner Reihe Self-Publishing Tipps habe ich Texteditoren als die verlässlichsten Begleiter im Leben eines Autors vorgestellt. Reine Textdateien wird man – intelligentes Leben vorausgesetzt – noch in 100 Jahren lesen können.

In derselben Reihe habe ich das Satzprogramm TeX erwähnt, welches der Autor dieser Zeile ebenfalls seit Jahrzehnten nutzt, um seine Texte zu gestalten. Mit einem Texteditor und TeX können Autorinnen und Autoren sicher alt und grau werden.

Warum ich in diesem Zusammenhang aber den Texteditor Emacs bevorzuge, will ich in den nächsten Kapiteln beschreiben.

Der Zettelkasten oder die Materialsammlung

Das Fundament, auf dem ein Autorenleben aufbaut, sind seine Notizen, seine Materialsammlung, ein Zettelkasten. Für Wissenschaftlicher wie Niklas Luhmann oder Schriftsteller wie Arno Schmitz waren Zettelkästen unverzichtbar.

Ein Autoren-Werkzeug sollte also als Zettelkasten dienen können, damit Autoren ihre Ideen in spontaner Weise erfassen und anschließend flexibel ordnen können. Da einfache Textdateien leicht mit effizienten Werkzeugen wie grep oder ripgrep durchsucht werden können, sind sie als Bestandteil einer Materialsammlung sehr gut geeignet.

Emacs bietet Autoren mit org-roam ein leistungsstarkes Werkzeug, um das Wissen in Textdateien durch eine interne Verlinkung leichter erschließbar zu machen. In Zettelkasten mit Emacs, Org-Mode und ripgrep habe ich die Grundzüge eines solchen Zettelkastens bereits beschrieben.

Gliederung und Arbeitsorganisation mit org-mode und org-agenda

Eine wichtige Komponente eines Autorenprogramms ist die Gliederungshilfe. Aus ungeordneten Ideen müssen Autorinnen und Autoren nach und nach eine Gliederung erarbeiten. Einige Schreibprogramme werden dabei anachronistisch und mimetisch, indem sie, wie die Software Scrivener, eine Korkwand mit aufgepinnten Zetteln nachbilden.

Der Texteditor Emacs besitzt durch den integrierten Org Mode mächtige Outline-Funktionen.

#+title: Titel des Buches
#+author: Peter Mustermann
#+date:   2022-04-11

* Überschrift 1
** Unterüberschrift 1
** Unterüberschrift 2
* Überschrift 2
** Unterüberschrift 3
** Unterüberschrift 4

Man kann die Überschriften ein- und ausklappen, hin- und herschieben, ein- und ausrücken, sodass man die Gliederung sehr flexibel verändern kann. Außerdem kann man jede Überschrift mit Metadaten wie zum Beispiel einer Beschreibung versehen, sodass man später beim Schreiben weiß, was in dem Kapitel behandelt werden soll.

* Aller Anfang ist schwer
:PROPERTIES:
:DESCRIPTION: Kurze Beschreibung der Schwierigkeiten
:END:

Die Beschreibung kann man ein- und ausklappen.

Arbeitsplanung und Texterstellung

Der Clou von Emacs und org-mode ist die Tatsache, dass im Editor auch eine Projektplanungssoftware zur Verfügung steht. Jede Überschrift in org-mode lässt sich in eine Aufgabe verwandeln.

* TODO Aller Anfang ist schwer
:PROPERTIES:
:DESCRIPTION: Kurze Beschreibung der Schwierigkeiten
:END:

Kapitel oder Absätze, die noch ausgeführt werden müssen, werden mit dem Stichwort TODO gekennzeichnet. Sobald das Kapitel fertig ist, kann man es als erledigt markieren.

* DONE Aller Anfang ist schwer
:PROPERTIES:
:DESCRIPTION: Kurze Beschreibung der Schwierigkeiten
:END:

Zwischenstufen wie IN ARBEIT lassen sich flexibel definieren.

Die einzelnen Todo-Items können in einem sogenannten Agenda-View aufgelistet werden. Man kann Aufgabe/Kapitel priorisieren, Deadlines definieren und auf Termin legen, sodass die Arbeit am Buch minutiös durchgeplant werden kann.

Der Text selbst wird mit Hilfe einer minimalen Auszeichnungssprache einfach unterhalb der jeweiligen Überschrift eingegeben.

Bibliografien und Zitierungen

Über das org-mode-Paket org-cite lassen sich Literaturverweise einfügen. Dazu kann man unter anderem das bibtex-Format nutzen.

In der Piratenpartei lassen sich Einflüsse der Beuys'schen Ideenwelt 
nachweisen, wie ich in »Beuys und die Piratenpartei« gezeigt 
habe.[cite:@hasecke_juhs_2015-1 514]

Die korrespondierende Bibtex-Datei enthält folgenden Eintrag:

@book{hasecke_juhs_2015-1,
	title = {juh's {Sudelbuch}},
	volume = {1},
	isbn = {978-1-5009-8648-3},
	language = {Deutsch},
	publisher = {CreateSpace Independent Publishing Platform},
	author = {Hasecke, Jan Ulrich},
	month = jan,
	year = {2015},
}

Beim Exportieren des Textes in ein Ausgabeformat (PDF,HTML,EPUB) wird automatisch der gewünschte Zitierstil angewendet und ggf. ein Literaturverzeichnis erstellt.

Ein Index kann ebenfalls so erstellt werden, dass er in den verschiedenen Ausgabeformaten erscheint.


#+cindex: Piratenpartei
In der Piratenpartei lassen sich Einflüsse der Beuys'schen Ideenwelt 
nachweisen, wie ich in »Beuys und die Piratenpartei« gezeigt 
habe.[cite:@hasecke_juhs_2015-1 514]

Die Stelle, an der der Befehl #+cindex: eingefügt wurde, erscheint dann später im alphabetisch sortierten Index als Seitenverweis (PDF) oder Link (HTML/EPUB).

Single-Source-Publishing

Schließlich und endlich kann man mit Emacs und org-mode den Text in verschiedene Ausgabeformate exportieren. Als Ausgabeformate stehen unter anderem die folgenden zur Verfügung:

Für den Buchsatz:

  • ConTeXt
  • LaTeX

Für die Weitergabe an Menschen, die nur Word & Co. kennen:

  • ODT (Open Document Format)

Für die Publizierung im Internet

  • HTML

Für E-Book-Reader

  • EPUB

Einige Exportformate werden gut unterstützt, andere weniger gut. So validieren beispielsweise E-Books, die auf diese Weise erstellt wurden, nicht gegen den W3C EPUB-Validator.

Ausführbarer Quelltext

Technische Autoren unterstützt Emacs mit ausführbarem Quelltext. Das bedeutet einerseits, dass der Autor das Ergebnis seiner Anweisung in Emacs kontrollieren kann, bevor er den Text veröffentlicht. Im folgenden Beispiel wird die Python-Anweisung print("Hello, world!") in eine Quelltext-Umgebung geschrieben. Der Code kann im Editor ausgeführt werden und das Ergebnis erscheint unter #+RESULTS:.

#+begin_src python :results output
  print("Hello, world!")
#+end_src

#+RESULTS:
: Hello, world!

Beim Exportieren wird das Ergebnis in der Regel unterdrückt, sodass nur der Quellcode selbst im Ergebnis erscheint.

Emacs funktioniert jedoch nicht nur als integrierte Test-Umgebung. Autoren können auch komplexe Berechnungen anstellen und umfangreiche Datenmengen analysieren und visualisieren. Emacs kann damit auch als wissenschaftliches Notebook genutzt werden.

Komplette kreative Prozessunterstützung

Der Texteditor Emacs bietet Autoren eine vollständige Arbeitsumgebung, die den gesamten kreativen Schreibprozess von den ersten Ideen bis hin zum Buchsatz umfassend unterstützt.